Anfang dieses Jahrhunderts schrieb der Liedermacher Reinhard Mey ein Lied über die Würde des Schweins.
Ich habe dieses Lied bei einem Gottesdienst für Mensch und Tier kennengelernt. Seitdem, wenn ich es höre, rührt es mich immer wieder an. Dem jungen Schwein, in der Glühbirnenwelt, im Gedränge und Dreck des industriellen Schweinestalls, fallen immer wieder die Worte seiner Mutter ein, bevor sie von ihr getrennt wurde: „Die Würde des Schweins ist unantastbar!“
Es ist für das Schwein fast so etwas wie ein Mutmachsatz, ein „Trotzdem – das bleibt!“ Und sie wiederholt diese Zusage bis zum Schluss als sie den Schlachthof erkennt und ohne Widerstand geht: „Die Würde des Schweins ist unantastbar!“ Ich lese Anfang April im Newsletter der Albert Schweitzer-Stiftung einen Artikel mit der Überschrift „Die Ramschkälber“.
Es geht um männliche Kälber, die sich für die Landwirte ‚nicht rechnen‘, weil sie keine Milch geben. Und die große Frage, die sich für die Landwirte stellt, ist nicht etwa die nach einem Umdenken. Nein, es ist die Frage nach der lautlosen, für die Gesellschaft nicht wahrnehmbaren Entsorgung der jungen Männer.
Gleiches wird bei männlichen Küken bereits praktiziert. Es folgen Ziegenlämmer – darüber wird noch nicht so offen diskutiert. Ziegenkäse wird schließlich immer beliebter. Aktuell wird in der durch Übermengen verursachten Milchpreiskrise den Bauern eine Super-Kuh versprochen, die noch mehr Milch geben und die Krise lösen soll.
Deutlicher kann man den Irrsinn nicht beschreiben, die Reduzierung der Geschöpfe auf Zweck und Nutzen – und den Widerstand zum Umdenken. Wenn es doch nur endlich Vergangenheit wäre! Was richtet mich auf, damit ich für die Tiere sprechen und da sein kann? Es ist die Gewissheit, dass jedes Geschöpf eine unauslöschliche Würde hat. Unantastbar!
Und ich berufe mich auf nichts Geringeres als den lieben Gott. Schließlich bin ich Theologin. Im Schöpfungsbericht der Bibel werden die Landtiere am selben Tag wie der Mensch erschaffen. Jeder Schöpfungstag endet mit „Und siehe, es war sehr gut!“ Da steht es: sehr gut! Unbestritten! Ich weiß, dass die Kirche in der Geschichte und bis heute nicht oder zu wenig als Anwältin der Tiere auftritt. Mich macht das traurig. Und ich setze trotzig die Würde des Schweineteenagers, der Ziege und der jungen Kälbermänner dagegen.
Animals‘ Angels hatte in seinen Anfangsjahren eine Kampagne, sie hieß „Animal Pride“ – die Würde der Tiere. Ich lade Sie ein zum täglichen Erinnerungsgebet: Die Würde des Schweins ist unantastbar! So hat es der Schöpfer gewollt! Es verbindet mich mit der Kraft zum Widerstand und mit den Tieren. Für mich ist es die Grundlage jeden Engagements. Vielleicht ist es ja so, dass auch unsere Tiere Mutmachsätze oder –gesten angesichts ihrer aussichtslosen Situation austauschen. Ich würde es mir von Herzen wünschen! Schauen sie mal bei Reinhard Mey nach.
Ihre Annette Herrmann-Winter